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Immer beliebter: Achtsamkeitstraining in Unternehmen

Ein Gastbeitrag von Gabriele Andler

Was dahinter steckt und wie du dein Yoga-Angebot sinnvoll und lukrativ ergänzt

Yoga und Achtsamkeit haben sich in den vergangenen Jahren einen festen Platz in vielen Unternehmen erobert. Obwohl sich beide Maßnahmen herrlich ergänzen, werden sie im Firmenkontext oft getrennt voneinander angeboten und spielen in den meisten Fällen auch nicht in der gleichen Liga.

Während Yoga im Bereich von Gesundheit als Mittel zur Stressbewältigung angesiedelt wird, hat Achtsamkeit sehr schnell den Weg in die Führungsetagen großer Unternehmen gefunden. Achtsamkeit ohne Yoga mag funktionieren – aber Yoga ohne Achtsamkeit nicht.

Da Achtsamkeit für Yogalehrende eine bereits bekannte Größe ist, kann ein Achtsamkeitstraining das Angebot des klassischen Yogaunterrichts sinnvoll und lukrativ ergänzen. In diesem Artikel möchte ich auf einige Punkte eingehen, die aus meiner Erfahrung ein effektives Achtsamkeitstraining ausmachen.

Was versprechen sich Unternehmen von Achtsamkeit?

Achtsamkeit erfährt als Konzept seit Jahren einen Hype. Dennoch ist es für viele noch ein „schwammiges“ Konstrukt, denn Achtsamkeit umfasst sowohl eine Haltung, eine Methode als auch einen Zustand.

Die Idee der Achtsamkeit ist nicht wirklich neu. Ihre Wurzeln sind unter anderem in buddhistischen Traditionen zu finden. In den Unternehmen, in denen ich aktiv bin, wird Achtsamkeit jedoch ausschließlich säkular unterrichtet, das heißt frei von religiösen und spirituellen Strömungen.

Vorreiter wie Google, SAP, Bosch und Siemens erleichtern die Einführung von Achtsamkeit in Unternehmen. Unterstützt wird dieser Trend durch die mediale Präsenz und das große Interesse aus der Wissenschaft an der Wirkungsweise von Achtsamkeit.

Die Erwartungen an achtsamkeitsbasierte Programme in Unternehmen sind so vielfältig wie die Herausforderungen, die Menschen bewältigen müssen. Manche wünschen sich eine Steigerung ihrer Konzentrationsfähigkeit, andere wollen ihre Führungsqualitäten verbessern und ein großer Teil wünscht sich „einfach nur“ einen souveränen Umgang mit schwierigen Emotionen und Situationen.

Um zu erkennen, wie Achtsamkeit all diesen Erwartungen gerecht werden kann, müssen wir erst einmal verstehen, worüber wir genau sprechen. Ein Blick hinter die Kulissen achtsamkeitsbasierter Programme zeigt, dass die Definition nicht überall gleich ist. Somit kann ein Training, je nach Schwerpunkt, sehr unterschiedliche Erwartungen erfüllen – oder auch nicht.

Achtsamkeit beinhaltet zwei grundlegende Aspekte

Der erste Aspekt beschreibt Achtsamkeit als eine Form der Wahrnehmung, die bewusst im gegenwärtigen Moment stattfindet. In einem achtsamen Zustand nehme ich mich selbst mit all meinen Gedanken, Gefühlen und Empfindungen wahr und bin mir gleichzeitig des Umfeldes bewusst, in dem ich mich gerade befinde.

Der zweite Aspekt geht stattdessen auf die innere Haltung ein, die wir dabei einnehmen. Diese Haltung beeinflusst, wie ich all dem begegne, was ich wahrnehme. Achtsamkeit strebt eine offene, freundliche und wertfreie Haltung an.

Während der erste Aspekt den meisten bekannt ist, bleibt der zweite oft unbeachtet. Dabei ist dieser zweite Aspekt enorm wichtig, um neben einer verbesserten Wahrnehmung zusätzliche Kompetenzen entwickeln zu können. Denn genau das macht ein achtsamkeitsbasiertes Training so interessant für Unternehmen.

Reduziere ich Achtsamkeit auf das berühmte „Hier und Jetzt“, dann bleibe ich weit hinter den Möglichkeiten, die der zweite Aspekt bietet.

Bei jeder dieser Haltungen schränken wir automatisch unsere Wahrnehmung ein. Wir beschließen unbewusst, dass wir genug über die Person oder Situation wissen und nehmen nur noch auf, was zu diesem Wissen passt. Dieser Denksparmodus führt nicht selten zu Bewertungsfehlern und Fehlentscheidungen.1

Sobald wir achtsam zuhören, nehmen wir mit einer offenen Haltung wahr, was die Person sagt. Eine offene und positive Haltung erlaubt es uns aber auch, uns selbst so anzunehmen, wie wir sind. Je besser wir unsere Emotionen erkennen und die Bedürfnisse dahinter verstehen, desto leichter wird es, Mitgefühl für uns selbst und andere zu entwickeln.

Aufmerksamkeit – eine heiß umkämpfte Ressource

Die Bedeutung der Achtsamkeit ist zwar schnell erklärt – unser Alltagsbewusstsein erschwert es jedoch, diesen bewussten Zustand auch über eine längere Zeit zu halten.

Achtsamkeit und Alltagsbewusstsein sind die beiden Bewusstseinszustände, in denen wir die wachen Phasen unseres Lebens verbringen. Das Alltagsbewusstsein wird mit Tagträumerei, geistigem Vorstellungsvermögen und selbstbezogenem Denken verbunden. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass wir automatisch in das Alltagsbewusstsein fallen, wenn keine äußeren Einflüsse auf uns einwirken. Gerade noch konzentriert bei einer Aufgabe, kann uns ein Gedanke in Millisekunden an einen anderen Ort und in eine andere Zeit katapultieren.

Die gute Nachricht: Wir können mit den gleichen Methoden sowohl unsere Aufmerksamkeit als auch unsere Achtsamkeit trainieren.

Welche Methoden sind in achtsamkeitsbasierten Trainings enthalten?

Je nach Schwerpunkt und Dauer eines Trainings sind unterschiedliche Aspekte und Methoden enthalten.

In unserem eigenen achtsamkeitsbasierten Training „WEG“, das ich zusammen mit Holger Bartlick konzipiert habe, führen wir die TeilnehmerInnen in unterschiedliche Formen der Meditation ein. An dieser Stelle möchte ich eine kleine Warnung anbringen. Denn die Angst, dass der Inhalt eines Achtsamkeitstrainings in esoterisches Fahrwasser driften könnte, ist in Unternehmen groß. Daher ist das Wording sehr wichtig. Das kann ich zumindest von meinen KundInnen aus dem Bereich der IT- und Technologiebranche sagen. 

In unserem Training nutzen wir das Journaling als Reflexionsmethode und praktizieren achtsames Zuhören. Mit teils tiefgehenden Reflexionsfragen und Modellen aus dem Coaching nähern wir uns dem Bereich unserer Emotionen, unseren inneren Antreibern und deren Auslösern.

Einige der mir bekannten achtsamkeitsbasierten Trainings, wie z.B. Search Inside Yourself, lassen Körperübungen außen vor – mit Ausnahme des Body Scans – ,was ich sehr schade finde. Im MBSR-Programm (mindfulness based stress reduction) dagegen bekommt Yoga einen beachtlichen Raum. Allerdings ist dieses Programm in Unternehmen eher im Bereich Gesundheit angesiedelt und weniger bei der Persönlichkeits- oder Führungsentwicklung zu finden.

Da wir das Zusammenspiel von Körper und Geist als hilfreich und sinnvoll erachten, praktizieren wir in unserem Programm „Achtsamkeit in Bewegung“. Das tun wir auf dem Stuhl, im Stand, im Gehen – und vor allem in bürotauglicher Kleidung.

Darüber hinaus integrieren wir Atemübungen aus dem Yoga, um zu zeigen, wie man in Stresssituationen einen klaren Kopf bewahrt und den Emotionen nicht ungewollt die Kontrolle überlässt.

Die Entwicklung all dieser Fähigkeiten erfolgt zwar auf Grundlage einer direkten Erfahrung, jedoch ist es hilfreich, den Verstand mitzunehmen, damit er sich auf die Reise nach Innen einlässt. In unserem Training vermitteln wir daher nicht nur Methoden, sondern auch Erkenntnisse aus dem Bereich der Neurowissenschaft und Psychologie.

Nebenwirkungen des Achtsamkeitstrainings

Viele Fakten können, wenn sie erst einmal bekannt sind, die Sichtweise auf sich selbst und andere verändern.

Nicht selten kommt es vor, dass TeilnehmerInnen zu Einsichten gelangen, die zu einschneidenden Entscheidungen führen. Davon ist das Umfeld oft wenig begeistert, denn ein funktionierendes System will sich gerne erhalten – egal ob es gut tut oder nicht.

Es gab TeilnehmerInnen – mich eingeschlossen – die nach dem Training festgestellt haben, dass sie sich beruflich verändern wollen. Unzufriedenheit, die lange erfolgreich verdrängt wurde, kommt durch ein Achtsamkeitstraining sehr deutlich zum Vorschein. An dieser Stelle ist es hilfreich, als TrainerIn Coaching-Kompetenzen zu haben, um die Menschen durch diesen Prozess zu begleiten.

Fazit: Was kann Achtsamkeitstraining bewirken?

Achtsamkeit dient als Türöffner in Unternehmen, weil sie die Entwicklung wichtiger Fähigkeiten und Kompetenzen begünstigt. Kompetenzen, die sowohl das Miteinander fördern als auch die persönliche Entwicklung. Die Zurückhaltung einiger Unternehmen, aus Angst vor esoterischen Inhalten, ist trotzdem noch immer bei vielen Unternehmen spürbar. Zum Glück wächst seit Jahren nicht nur die Anzahl wissenschaftlicher Studien rund um das Thema Achtsamkeit, sondern auch die Zahl der Auswertungen aus Unternehmen.


Gabriele Andler

Gabriele Andler ist Coach, Trainerin und Autorin. Sie hat weltweit achtsamkeitsbasierte Programme für Unternehmen durchgeführt und leitet ein Institut für Yoga und Achtsamkeit. Nach 24 Jahren als Beratungsleiterin bei SAP kennt Gabriele die Herausforderungen in Unternehmen. Sie setzt sich mit Begeisterung dafür ein, die Achtsamkeitspraxis in der Business-Welt zu etablieren, um Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Außerdem hat Gabriele diverse Ausbildungen zur Yogalehrerin, zum Coach sowie eine Ausbildung zur Search Inside Yourself Trainerin absolviert. Sie hat mehrere Bücher über Achtsamkeit und Journaling geschrieben und hält ihre Gedanken und Erkenntnisse in ihrem eigenen Blog attention.rocks fest.


1 Vgl. Kahnemann, Daniel (2016). Schnelles Denken, langsames Denken. Penguin Verlag, sowie Dobelli, Rolf (2020). Die Kunst des klaren Denkens. Piper Verlag (2. Auflage).

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